Pilotprojekt „Migration und Komik. Inklusions- und Exklusionsprozesse durch Komik und Satire in Spätaussiedlermilieus“
Ort:
Kulturwissenschaftliches Institut Essen (KWI) an der Universität Duisburg-Essen
Laufzeit:
Oktober 2010 – März 2011
Finanzierung:
Science Support Centre (SSC) der Universität Duisburg-Essen
Projektteam:
Antragstellung und Durchführung Dr. Halyna Leontiy
PostDoc-Projekt „Migration und Komik – Soziale Funktionen und konversationelle Potentiale von Komik und Satire in den interethnischen Beziehungen Deutschlands“
Ort:
Kulturwissenschaftliches Institut Essen (KWI) an der Universität Duisburg-Essen
Laufzeit:
Oktober 2012 – Mai 2016
Finanzierung:
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Eigene Stelle
Projektteam:
Antragstellung, Durchführung und Leitung Dr. Halyna Leontiy
Mitarbeitende: Michael Walter und Rana Aydin (Wiss. Mitarb. in der Anfangsphase), Gülizar Yilmaz, Inna Hirsch, Helene Becker, Nastja Salamatin, Lisa Weißmann (SHK/WHK)
EXPOSÉ
(Theoretische Basis) Das Forschungsprojekt hatte seinen Ausgang in den Theorien der Komik aus der Soziologie (Dupreel, Zijderveld, Peter L. Berger), Psychologie (Freud), Anthropologie (Plessner), Linguistik (Attardo, Kotthoff, Günthner, Thilemann uva.) und der Literaturwissenschaft (Preisendanz), die sich auf Funktionen der Komik beziehen und belegen, dass sich Komik und Satire zur Diagnose der Gesellschaft, zur Normierung und in-/out-group-Bildung, zum Perspektivenwechsel, zur Akkulturation und Wissensvermittlung, und nicht zuletzt zur psychischen Entlastung und Konfliktlösung eignet. Die soziologische Komikforschung, die sich primär mit sozialen Funktionen der Komik und mit schriftlichen Witzen beschäftigt, wurde durch die interaktionale Komikforschung ergänzt, die sich mit Aktivitätstypen des konversationellen Humors und ihren Funktionen im Gespräch befasst. Darin konnte gezeigt werden, dass Scherze, um verstanden zu werden, auf ein in hohem Maße geteiltes Hintergrundwissen der Beteiligten angewiesen sind. Sowohl die verfügbare Geschichte der sozialen Beziehungen der Anwesenden als auch die lokal entstehende Interaktionsgeschichte werden für die Produktion von Scherzen genutzt. Somit eignet sich die Analyse kulturspezifisch geprägter, pragmatisch im Alltag oder auf der Bühne eingesetzter Formen der Komik in besonderem Maße dafür, soziale Ordnungen und Beziehungen, sowie selbst- oder fremderzeugte Zugehörigkeitskonstruktionen zu untersuchen. Die Theorien der Komik wurden mit den soziologischen Theorien aus den Bereichen der Mikro-, Kultur- und Migrationssoziologie kombiniert.
(Ziele) Mithilfe des zuvor konzipierten theoretisch-methodischen Instrumentariums sollten im Projekt sowohl Selbstpräsentationen, Fremdzuschreibungen und Fremdbilder von Migrant/innen und ihrer Nachfolgegenerationen als auch Beziehungen zwischen der autochthonen und allochthonen Bevölkerung auf zwei Ebenen erforscht werden: auf der institutionalisierte Ebene der Bühnenkomik sowie in den Alltagsinteraktionen auf der Ebene des Alltags. Erfolgen sollte dies am Beispiel von ausgewählten Gruppen unter Deutsch-Türk/innen sowie den Spätaussiedler/innen. Das Endziel des Forschungsprojekts sollen mehrere Fallstudien zur ästhetischen Wirkung der migrantischen Comedy-Kabaretts sowie ethnografische Studien aus der Lebenswelt des Alltags von Migranten-Familien (samt Nachbarschaftsverhältnissen) und -Jugendgruppen sein. Vor allem die Untersuchung der Alltagskommunikation mit dem Fokus auf der konversationellen Komik sollte den Einblick in die Migranten-Communities und darin ablaufende Vergemeinschaftungsprozesse bzw. die gemeinsam konstruierten Kulturen und Identitäten geben, und auf diese Weise die bestehende Forschungslücke schließen.
(Fragestellung) Folgende Fragen, die im Laufe des Projekts weiter ausdifferenziert und präzisiert wurden, lagen dem Projekt zugrunde: Welche Potentiale haben Kabarett und Comedy für die Selbstdarstellung von ethnischen Minderheiten und Zugewanderten, für die Verarbeitung ihrer Migrationsgeschichte sowie für die Stärkung ihrer Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft? Kann Komik einen konstruktiven Beitrag für die Regulierung zwischenmenschlicher Beziehungen und für die Gestaltung der multikulturellen deutschen Gesellschaft leisten? Welche Themen werden mit Hilfe welcher stilistischen Mittel der Komik-Genres auf der Bühne und in der Alltagskommunikation bearbeitet? Wie unterscheidet sich die Bühnenkomik von der Komik im Alltag?
(Auswahlgruppen) Ausgehend von der Expansion deutsch-türkischer Bühnenkomik in Deutschland sowie von den sozialwissenschaftlichen Theorien der Komik, welche sowohl für die Gestaltung als auch für die Erforschung von zwischenmenschlichen Beziehungen ein enormes Potential aufweisen, wurden im Projekt zwei der statistisch größten Gruppen der Zugewanderten in Deutschland untersucht: Deutsch-Türken sowie Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion.
(Methodik) Geplant wurde eine Datenerhebung in Form von Videoaufzeichnungen, Interviews und Ethnographien, die mithilfe der Methoden der qualitativen, rekonstruktiven und interpretativen Sozialforschung bearbeitet wurden.
PUBLIKATIONEN AUS DEM PROJEKT
Leontiy, Halyna (erscheint im Sommer 2020): „Isch komm isch“ – Sprachinterferenzkomik, Sprachkontrastierung und kulturelle Mehrfachzugehörigkeit am Beispiel der Comedy von Benaissa Lamroubal (RebellComedy). In: Katja F. Cantone/Moraitis, Anastasia/Reimann, Daniel/Wolf-Farré, Patrick (Hrsg.): Sprachkontrast und Mehrsprachigkeit. Linguistische Grundlagen, didaktische Implikationen und Desiderata. Reihe „Multilingualism and Language Teaching“. Tübingen: Narr Francke Attempto.
Leontiy, Halyna (erscheint im Januar 2020): „…wobei dieses Verpflichtungsgefühl auch dabei ist“ – Kategoriale Mehrfachzugehörigkeit und Vergemeinschaftungsprozesse beim Zugang zum Forschungsfeld. In: Halyna Leontiy/Schulz, Miklas (Hrsg.): Ethnographie und Diversität. Wissensproduktion an den Grenzen und die Grenzen der Wissensproduktion. Wiesbaden: Springer.
Leontiy, Halyna (Hrsg.) (2017): (Un-)Komische Wirklichkeiten. Komik und Satire in Migrations- und Kulturkontexten. Buchreihe „Erlebniswelten“. Springer: Wiesbaden (erschienen bereits im Juli 2016).
Leontiy, Halyna (2018): »Die fassen sich da an«: Aggressiv-spaßige Kommunikation mit Referenzen auf Homosexualität in einer Gruppe junger Männer mit Migrationshintergrund. In: Bauer, Gero/Regina Ammicht Quinn/Ingrid Hotz-Davies (Hg.): Die Naturalisierung des Geschlechts: Zur Beharrlichkeit der Zweigeschlechtlichkeit. Bielefeld: transcript.
Leontiy, Halyna (2016): „Voll die geile klejonka hier eh“ – Zur Rolle der Mehrsprachigkeit in der Alltagskommunikation junger Spätaussiedler/innen im Ruhrgebiet. In: Katja F. Cantone/Moraitis, Anastasia (Hrsg.): Vielfältig und doch individuell. Mehrsprachigkeit in der Ruhrmetropole. UNIKATE Heft 49/2016.
Leontiy, Halyna/Yilmaz, Gülizar (2017): „Turteltäubchen Alter“. Ambivalentes Spiel zwischen Aggression und Spaß als Kommunikationskultur der Alltagskomik einer deutsch-türkischen Jugendgruppe in NRW. In: Halyna Leontiy (Hrsg.): Komische Wirklichkeiten. Springer: Wiesbaden.
Leontiy, Halyna (2014): Deutsch-Türken und Spätaussiedler im Spiegel der Satire und Komik auf der Bühne. Aktueller Forschungsstand des DFG-Forschungsprojektes „Migration und Komik“. In: Hans-Georg Soeffner/Boldt, Thea D. (Hrsg.): Fragiler Pluralismus. Wiesbaden: VS.
Leontiy, Halyna (2013): Eine Reise durch ein Integrationslabyrinth – Potentiale des Ethnokabaretts bei der kulturellen Wissensvermittlung am Beispiel der Spätaussiedler in Deutschland. In: Tilo Weber/Ballod, Matthias (Hrsg.): Autarke Kommunikation. Wissenstransfer in Zeiten von Fundamentalismen. Beiträge zum 8. Kolloquium Transferwissenschaften in Halle, 21.-23. September 2009. Frankfurt/Main: Lang (Transferwissenschaften Bd. 9).
Leontiy, Halyna (2013/Vorabdruck August 2012): Komik, Kultur und Migration. Institutionalisierte Komik und Alltagskomik in deutsch-türkischen und russlanddeutschen Kontexten. In: Zeitschrift für Literatur- und Theatersoziologie (LiTheS), Heft 8 (Hrsg. von Beatrix Müller-Kampel und Helmut Kuzmics, Universität Graz). URL: http://lithes.uni-graz.at/lithes/13_08.html.